Impuls in besonderen Zeiten Nr. 79

Glaube und Zweifel

Liebe Brüder und Schwestern,

alle wissen, dass in München ein Hofbräuhaus steht. Wenige wissen mit der Schriftstellerin und Komponistin Annette von Droste - Hülshoff (1797 – 1848) etwas anzufangen. Ihr Bildnis zierte vor nicht allzu langer Zeit noch Briefmarken und den Zwanzigmarkschein. Um ihre Person und Werk im kollektiven Gedächtnis aus guten Gründen zu bewahren, hat die Annette von Droste zu Hülshoff-Stiftung in Havixbeck, Kreis Coesfeld, einen dortigen „Lyrikweg“ konzipiert. Auch per App wird das Leben der Künstlerin an konkreten Orten lebendig. Ebenso ist 2021 ein Buch des Theologen Ottmar Fuchs über Drostes Glaubensleben erschienen.

Fuchs befasst sich in seinem Buch „Subkutane Revolte. Annette von Droste-Hülshoffs geistliches Jahr. Eine theologische Entdeckung“ leicht verständlich mit ihrer Gedichtsammlung zu jedem Sonn- und Feiertag des Kirchenjahres. Er feiert Droste als Frauen- und Laientheologin, die für den einen oder anderen geradezu ein Katalysator persönlicher Fragen in Sachen Glauben darstellen kann.

Folgen wir den Ausführungen Fuchs, ist Drostes Glaube widersprüchlich und hochaktuell in seiner Paradoxie. Sie erfährt keinen diesseitigen Gott, sondern eine Welt ohne Gott, leidet darunter und glaubt nicht nur trotzdem, sondern vielleicht sogar gerade deswegen. Einem bewiesenen Gott, einem nützlichen und notwendigen Gott, der konkrete Probleme löst, würde sie misstrauen, denn sie glaubt an seine völlige Unverfügbarkeit. Nur ein freier Gott kann Menschen Freiheit und Gnade ermöglichen sowie Hoffnung schenken. Sie spricht nach rund drei Jahrhunderten vielen Zeitgenossen aus der Seele, die mit dem Glauben ringen, zweifeln und genau den Trost gerne annehmen, den die Laientheologin Droste spendet. Es ist ein Trost, der nicht auf Auflösung der Widersprüche abzielt, sondern auf Annehmen – und sei es mangels Alternativen. Darüber hat Droste sicherlich intensiv nachgedacht, denn ihre Gedichtsammlung ist im Verlauf von zwanzig Jahren entstanden, ist somit alles andere als ein Schuss aus der Hüfte.

Die katholische Kirche will der Fels sein, auf den der Glaube steht. Ich sehne mich wie viele Menschen nach dem Beständigen, das Orientierung schenkt. Aber so wie Heimat als Heimat nur aus der Ferne, der Fremde ganz zu erkennen ist, so liegt das Beständige eben im Unbeständigen, Nicht-Garantierten, im Flüssigen – die Macht der Liebe eben über den Tod hinaus.

Liebe Grüße von Renate Gottschewski

 

Apropos Zweifel: In unserer Pfarrei bieten wir im Herbst (ab September) eine Reihe von Zweiflergesprächen an, beginnend mit einem Abend über die Gottesvorstellung und -bilder zwischen Dreifaltigkeit und universalem Weltprinzip am Donnerstag, 08.09.2022, 19:00 - 20.30 Uhr  in St. Engelbert (Kassenberger Str. 96, 44879 Bochum).

Bei den Zweiflergesprächen soll es um den Austausch und das Gespräch über die konkreten Zweifel gehen. Jeder Abend steht unter einem anderen Fokus und lebt dann von den Zweifeln der Teilnehmer:innen. Vorkenntnisse braucht es keine, nur die Offenheit eigene und fremde Zweifel und auch eigenen und fremden Glauben zuzulassen und darüber ins Gespräch zu kommen.

Weitere Informationen dazu schon jetzt auf der Homepage der Pfarrei und ausführlicher im kommenden Newsletter.