Impuls Nr. 156

„Freu dich!“ – mitten im Advent, mitten im Leben

Liebe Mitglieder unsere Pfarrei, liebe Gäste!

„Freu dich!“ – dieser Ruf am dritten Adventssonntag, Gaudete, klingt fast wie ein Widerspruch. Während draußen die Welt unruhig ist, Nachrichten voller Krisen, viele Menschen müde, überfordert oder innerlich leer, ruft die Kirche uns zu: Freut euch! Nicht als naiver Optimismus, nicht als Verdrängung des Leids – sondern als Einladung, tiefer zu schauen.
Freude ist mehr als ein gutes Gefühl. Sie ist Entscheidung und Hoffnung zugleich. Sie wächst nicht aus perfekten Umständen, sondern aus der Gewissheit: Gott ist da. Nicht nur irgendwann, sondern jetzt – mitten in unserer Unvollkommenheit.
Genau davon singt das alte Adventslied „Herr send herab uns deinen Sohn“ wie es im Gotteslob (Nr. 222) steht. Es ist kein fröhliches Weihnachtslied im klassischen Sinn. Es ist ein Ruf aus der Tiefe: Ein Sehnsuchtslied, ein Gebet um Befreiung, um Nähe, um Licht in der Dunkelheit. „Oh komm“ – das ist kein sentimentaler Wunsch, sondern ein existenzieller Schrei: Komm in unsere Ängste, unsere Einsamkeit, unsere Ungewissheit.
Und genau hier verbindet sich dieses Lied mit dem Ruf: „Freu dich!“ Denn christliche Freude entspringt nicht aus dem Wegdrücken des Leids, sondern aus der Erwartung, dass Gott selbst in unsere Realität eintritt. Freude wächst dort, wo wir nicht aufgeben zu hoffen. Wo wir glauben, dass das Letzte nicht Krise und Tod heißt, sondern Leben.

Vielleicht bedeutet „Freu dich“ heute ganz konkret:
• den Mut haben, trotz allem einen kleinen Schritt Hoffnung zu wagen,
• nicht allein zu bleiben mit den eigenen Sorgen,
• aufmerksam zu sein für kleine Zeichen von Licht im Alltag,
• Gott auch dort zu suchen, wo wir ihn am wenigsten erwarten.

Gaudete ruft uns zu: Du musst nicht erst alles im Griff haben, um dich freuen zu dürfen. Deine Sehnsucht reicht. Deine Verwundbarkeit reicht. Dein Rufen „Oh komm, Immanuel“ reicht.
Denn Gott kommt nicht erst, wenn wir fertig sind – er kommt, weil wir unvollendet sind.
Darum: Freu dich. Nicht, weil alles gut ist.
Sondern weil Gott da ist.
Und kommt.
Und bleibt.

Gemeindereferentin

Nina Prothmann